Achtung: Leider musste der ursprünglich geplante Termin (24. – 26.7.2020) kurzfristig verlegt werden.
Aufstellungen haben ihren Antrieb in einer aktuellen inneren Anspannung. Diese Anspannung gehört selten zur Gegenwart. Oft diente sie in der Vergangenheit dem Überleben einer Bedrohung, meist einer vernichtenden Ohnmachtserfahrung. Wie kommt eine innere Anspannung aus der Vergangenheit in unsere Gegenwart? Dies ist eine Leistung des Phänomens Trauma: Es will uns vor weiteren vernichtenden Erfahrungen schützen, indem es die Bedrohung von damals in uns festhält.
So reagiert Trauma in ähnlichen Situationen von heute so wie damals, obwohl die Situation heute nur so aussieht, als ob sie bedrohlich wäre. Es versucht dann, uns mit den damals nützlichen Überlebensenergien und -mustern zu retten. Aus Überlebensgründen folgt Trauma der Illusion, weiterhin in Lebensgefahr zu sein. Erst wenn diese Illusion nicht mehr zu halten ist, bilden Körper und Psyche Symptome, die einen zwingen, sich mit der damaligen Erfahrung zu beschäftigen. Was geschieht dabei und wie können wir eine Entspannung unterstützen?
Man braucht einen sicheren, unbedrohten Ort, um die gefühlte Bedrohung als Illusion aus dem Damals wahrnehmen zu können und dabei von ihr zu genesen. Dieser Ort ist die momentane Gegenwart, das Jetzt. Es ist das Sicherste, was wir haben, im Grunde auch das Einzige. Hier kommt Spiritualität ins Spiel. Unter (erwachsener) Spiritualität verstehe ich die Praxis der Gegenwärtigkeit, die Hingabe an das, was gerade im Moment geschehen und sich zeigen will. Sie liefert uns die Arbeitsgrundlage für eine sichere Begleitung und Entspannung von traumatischen Erinnerungen.
Vom Jetzt aus können wir mit achtsamen Aufstellungen sehr präzise die Distanz zur damaligen Bedrohung wahrnehmen und bestimmen, und zwar körperlich, emotional und mental. So kann die damalige Anspannung sich lösen in ihrem eigenen Tempo. Sie lässt dabei alle Ressourcen und Kräfte frei, die sie damals entwickelt hat. Heute kommen sie unserer Lebendigkeit zugute.
Literatur
Geßner, Thomas: Wie wir lieben. Und was wir alles aus Liebe tun oder vermeiden, Innenwelt Verlag, Köln, Edition Neue Psychologie, 2018
Geßner, Thomas: Trauma, Illusion und Spiritualität. In Peter Bourquin, Kirsten Nazarkiewicz (Hg.): Trauma und Begegnung. Praxis der Systemaufstellung, Jahrbuch der DGfS, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2017
Wilfried Nelles, Thomas Geßner: Die Sehnsucht des Lebens nach sich selbst, Innenwelt Verlag, Köln, 2014
Das persönliche Trauma im Kontext der Aufstellungsarbeit
Diese Fortbildungsreihe widmet sich explizit dem Umgang mit persönlich traumatisierten Klientinnen und Klienten in den verschiedenen Formen der Aufstellungsarbeit im Einzel- und im Gruppensetting. Aufstellungsarbeit kann in der Behandlung von persönlichem Trauma von hohem Wert sein. Es bedarf der Fähigkeit der Aufsteller, Trauma zu erkennen, um angemessen zu handeln und Retraumatisierung zu vermeiden beziehungsweise heilsame Prozesse einzuleiten. Thomas Geßner und Barbara Innecken beleuchten den Traumaaspekt aus jeweils unterschiedlichen Ansätzen, Perspektiven und Schwerpunkten der Aufstellungsarbeit.
Eine Fortsetzung der Reihe in den Folgejahren, zum Beispiel auch zu Aspekten kollektiver Traumata, ist geplant.
Empfohlene Literatur
Peter Bourquin, Kirsten Nazarkiewicz (Hrsg.): Trauma und Begegnung. Praxis der Systemaufstellung, Jahrbuch der DGfS, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2017
Thomas Geßner
Thomas Geßner arbeitet für Menschen, die es mit sich selbst leichter haben wollen. Er unterstützt sie dabei, die gegenwärtige Bewegung ihres Lebens wahrzunehmen, sie klarer zu erkennen und sich ihr anzuvertrauen. Methodisch legt er dabei den Fokus auf das relativ sichere Jetzt eines Menschen im Unterschied zum möglicherweise bedrohlichen Damals. Inhaltlich geht es darum, was das Leben gerade von uns will und wie wir dem folgen können.