vor einem Jahr am 14. August ist Wolf Büntig von uns gegangen. Wir denken viel an ihn in diesen Zeiten, die mit massiven gesellschaftlichen Veränderungen einhergehen. Es ist eine Zeit, in der kontemplative Momente, Rückschau und Stille besonders gut tun. Ich schaue auf ein Foto von Wolf, das Dieter Horn 2020 auf Kreta gemacht hat. Dieter hatte zusammen mit seiner Frau Wolf bei dessen Urlaub in Ravdoucha auf Kreta besucht. Wolf schaut vergnügt aus auf diesem Bild, das Meer im Hintergrund und diese herrlichen griechischen Farben tun ihr Übriges. Wolf hatte uns aus diesem Urlaub unter anderem eine E-Mail geschrieben, in der er seine Erlebnisse von der Anreise beschreibt. Sowohl die Erlebnisse als auch seine Art darüber zu berichten, haben mich damals lachen lassen und zugleich zu Tränen gerührt – zugegeben, auch weil ich dieses Land, in dem ich in den Achtzigerjahren ein paar Jahre gelebt habe, so liebe und es von Wolf trefflich beschrieben fand. Seine E-Mail endete so: … Jetzt bin ich da. Es ist sehr, sehr schön hier. Nachdem ich mich umgeschaut und ein paar Fotos gemacht hatte, habe ich erst einmal geschlafen, dann in der Kneipe nebenan mit einem Paar mittleren Alters aus Litauen – "this is the best place in all of Crete" – und einem jungen Seemann aus den Niederlanden zu Abend gegessen und dann gleich wieder geschlafen. Das Studio ist handwerklich hochwertig gebaut, mit 29 qm plus 10 qm Terrasse geräumig und gediegen eingerichtet, das Trinkwasser ist trinkbar, das Duschwasser hat genug Druck und der Hausherr ist total – im Wortsinn – freundlich. Von den meisten Portionen in der Kneipe des Bruders nebenan könnten zwei satt werden. Die Sonne kommt erst am Mittag um die Ecke, sodass es auch nicht so schnell zu heiß wird. Es macht Spaß, Euch zu schreiben, dass es mir gut geht. Hierher komme ich wieder, Inshallah! Von Herzen Grüße von Wolf Immer noch kriege ich es nicht hin, beim Lesen dieser Zeilen nicht zu weinen. Auch weil ich weiß, dass er es nicht nochmal dorthin geschafft hat. Er wäre so gerne zusammen mit seinem Kollegen und Freund Gustl Marlock nochmal zum Schreiben dorthin gefahren. Die Reise war geplant, doch erst kam ihm Corona dazwischen und dann später sein Unfall. Und gleichzeitig scheint er es bereits geahnt zu haben: Inshallah! So Gott will. Wer sich dem größeren Ganzen beugen, die Gaben des Lebens nehmen und dafür danken kann, ist frei. Dieses Zitat von Wolf drückt ein zentrales Moment seiner Haltung aus. Er erinnert daran, dass wir nicht alles in der Hand haben und dass darin Frieden und Freiheit verborgen sind. Ich wünsche ihm diese Freiheit von Herzen. Meine Kollegen (m/w/d) und ich schauen immer mal wieder in das Kondolenzbuch für Wolf, das auf unserem Blog ( https://www.zist.de/blog/wolf-buentig/) online steht. Es ist mit seinen vielen ganz unterschiedlichen Beiträgen ein eindrucksvolles und berührendes Dokument davon, wie tief und persönlich Wolf Büntig Menschen mit seiner Aufmerksamkeit und Zugewandtheit und seiner tiefen Kenntnis vom Sein berührt hat. Er hat vielen bei großen und kleinen Problemen mit sich selbst und im Alltag helfen können, er hat viele Menschen bei der Entwicklung ihres Potentials unterstützt. Er hat eine wichtige Rolle in der Verbreitung und Erforschung der Humanistischen Psychologie gespielt und dabei bedeutende Pioniere dieser Haltung nach Deutschland geholt. Außerdem besaß Wolf ein besonderes sprachliches Talent, mit dem er mit großer Akribie schwierige Zusammenhänge verständlich, aber keineswegs flach ausdrücken konnte. Seine Texte sind kleine Diamanten, die uns wertvolle Wegbegleiter auf dem Weg hin zu einem besseren Verständnis von uns selbst sein können. Ein berührendes Zeugnis seiner Tiefe und seines sprachlichen Talents ist ein Gedicht, das er bei einem seiner letzten Zusammentreffen mit Psychotherapeuten in Ausbildung (m/w/d) an der ZIST Akademie auf die Frage hin rezitierte, ob er der Ansicht sei, dass es ein Leben nach dem Tod gäbe: Standing at the sea-shore I cannot tell where the river ends and the ocean begins And I wonder What may these waters connecting source with sea know of clouds
Am Meeresufer stehend Kann ich nicht sagen Wo der Fluss endet Und der Ozean beginnt Und mich nimmt wunder Was mag wohl dieser Strom Der Quell mit Meer verbindet Von Wolken wissen (Wolf Büntig) Uns in ZIST ist Wolfs Schaffen Inspiration und Auftrag für die kommenden Jahre. Mit herzlichen Grüßen Bunda S. Watermeier PS: Wer seine Stimme hören möchte, kann sie zum Beispiel in diesen Podcasts verschiedener Sender hören: Die Demut – Fessel oder Tor zur Freiheit? https://www.br.de/mediathek/podcast/embed?episode=31656 Die eigenen Potentiale entdecken – Wolf Büntig, der Gründer des ZIST https://www.swr.de/swr2/leben-und-gesellschaft/swr2-tandem-2020-02-25-100.html |