nie wieder! Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, nie wieder antisemitischer Hass! Diese Parolen waren in meiner Jugend und in meinem frühen Erwachsensein so etwas wie tragender, breiter gesellschaftlicher Konsens, der sich durch (fast) alle Gesellschaftsschichten zog. Dieses Nie wieder! fühlte sich für uns beinahe an wie eine Gewissheit, denn wer – so redeten wir uns ein –, der alle fünf Sinne beisammen hatte, konnte ernsthaft etwas anderes als eine friedliche und liberale Welt wollen? Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges, des Holocausts und der Nachkriegsjahre erschien es uns wie selbstverständlich, dass dieses Nie wieder immer größere Mehrheiten finden würde und wir warfen uns rein in diese tiefe kulturelle Auseinandersetzung.

Überhaupt Hass – wie kommt es zu diesem Hass, der es möglich macht, dass Menschen gewalttätig werden und mordende Terrorakte verüben? Hass, der es möglich macht, Solidarität mit Terrororganisationen wie der Hamas zu feiern? 

Die Unfähigkeit mitzufühlen ist weit verbreitet und scheint sich immer mehr auszubreiten. Die als Erklärung dafür so häufig bemühte Herkunft aus bildungsfernen Schichten trägt nicht zur Aufklärung dieses Phänomens bei. Diese pauschale Bewertung führt aus meiner Sicht zu einer Stigmatisierung, die das Gefühl der Betroffenen, nicht dazuzugehören, verkapselt und verhärtet. Und: schaut man sich beispielsweise das Personal der AfD an, so sind sogenannte bildungsferne Menschen dort eher eine Rarität. Bildungsfern aufgewachsen zu sein schließt Mitgefühl mit anderen Menschen, mit anderen Diskriminierten nicht aus, ebenso wenig wie (vermeintliche) Bildung automatisch dazu führt, eben nicht menschenverachtende Positionen zu vertreten. 

Es hilft eigentlich nur, egal wie und wo man aufgewachsen ist und was für einen vermeintlichen Bildungsstandard man hat, egal welcher Religion man angehört oder nicht angehört, sich immer wieder an die eigene Nase zu fassen und bei sich selbst nach innen zu schauen und sich in Meditation zu üben. Das zumindest bleibt meine Hoffnung, sich selbst seiner Konditionierung auszusetzen, Widersprüche – biografische sowie politische, religiöse und spirituelle – auszuhalten und sich immer wieder auf unser Menschsein zu besinnen, sowie der Versuchung zu widerstehen, das, was da ist und hochkommt, einfach auszuagieren.

Leider haben Entwicklungen der letzten Jahre aber auch verdeutlicht, dass auch diese Wege ihre Tücken bergen. Formen von Narzissmus und merkwürdige Ideologien machen sich auch innerhalb der Szenen breit, die sich lange mit Innenschau beschäftigt haben. Selbstgerechte Stigmatisierungen aller anderen, eine merkwürdige Blindheit für die eigenen blind spots sind hüben wie drüben beinahe Standard. Innenschau ist also auch kein Garant für ein humanistisches Menschenbild, sie ist und bleibt dennoch eine Hoffnung. 

Der Horror, der uns derzeit umgibt, ist unerträglich. Er treibt mir immer wieder still und leise und unvermittelt Tränen in die Augen. Weil mir angesichts dieses politischen Geschehens, der Kriege, auch der regionalen wieüberregionalen Wahlergebnisse … wie fast immer in den letzten Jahren, diejenigen Worte zu schreiben schwerfiel, die eben mit wenigen Worten zu einer sinnvollen Aussage führen könn(t)en, hatte ich zunächst für diesen Newsletter mit dem angefangen, was mir einfacher erschien: den Buchtipps. Unter anderen Tipps für unser Publikum interessant ist die neue Ausgabe des Handbuch Körperpsychotherapie, dem Standartwerk des körperpsychotherapeutischen Feldes, dessen Herausgeber unter anderem Gustl Marlock und Halko Weiss sind. In der Autorenliste findet man weitere Therapeutenpersönlichkeiten, die in ZIST Referenten und Dozenten (jeweils (m/w/d) waren und/oder sind. Und mehr noch: auch Wolf Büntig ist mit zwei Beiträgen dabei.

Uns ist es wichtig dafür zu arbeiten, dass die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) und mit ihr eine Haltung, die sich aus der Human Potential Bewegung entwickelt hat, präsent bleibt. Wir haben dazu neben der Approbationsausbildung in TP (nunmehr seit 12 Jahren an der ZIST Akademie für Psychotherapie) in unserem Haus das Angebot der Zusatzqualifikationen für Psychologische Psychotherapeuten (m/w/d) in Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie (mehr Info: hier) sowie in Gruppenpsychotherapie (mehr Info: hier) auf den Weg gebracht. Psychologische Psychotherapeuten können mit dem Erlangen dieser Zusatzqualifikationen einen wesentlichen Beitrag zur immer wichtiger werdenden psychotherapeutischen Versorgung leisten. Auch das ein Funken Hoffnung.

Noch eine Nachricht in – irgendwie – eigener Sache: Wir werden in Kürze, noch bevor der Frost den Boden hart macht, einen Gedenkstein im Innenhof von ZIST für Wolf Büntig aufstellen. Er wird eine von Thomas Grünwald geschaffene Skulptur von Wolf tragen. Thomas Grünwald war von Anfang an, als Nachbar von ZIST und Wolf und als stiller Wegbegleiter, später auch als Mitarbeiter, dabei. Er hat auch all die anderen Köpfe, die den Innenhof von ZIST schmücken, geschaffen. Die Skulptur ist Ausdruck seiner – und unserer – Liebe und des Respekts für Wolf. Der Stein wird zudem eine kleine Bronzetafel tragen, auf der ein Zitat von Wolf steht: Wir sollten herausfinden, von wem wir reden, wenn wir 'ich' sagen.