Staunen ist der Schutz der Erfahrung vor dem Übergriff durch den Verstand.

Wolf Büntig

Bewusstheit gibt uns die Freiheit, eine Wahl zu treffen.

Moshé Feldenkrais

Die Fähigkeit, im Moment zu leben, ist ein wichtiger Baustein der
geistigen Gesundheit.

Abraham Maslow

Trauma ist eine Tatsache des Lebens.
Es muss kein lebenslanges Verhängnis sein.

Dr. Peter A. Levine

Um klar zu sehen,
reicht oft ein Wechsel der Blickrichtung.

Antoine de Saint-Exupéry

Das merkwürdige Paradox ist, dass, wenn ich mich akzeptiere so wie ich bin, dann kann ich mich wandeln.

Carl R. Rogers

Freundschaft mit dem Fuchs

 

Da erschien plötzlich der Fuchs.

– »Guten Tag«, sagte der Fuchs.
– »Guten Tag«, antwortete der kleine Prinz höflich, der sich umdrehte, aber nichts entdecken konnte.
– »Ich bin hier«, sagte die Stimme unter einem Apfelbaum.
– »Wer bist du?«, fragte der kleine Prinz. »Du bist sehr hübsch …«
– »Ich bin ein Fuchs«, sagte der Fuchs.
– »Komm und spiel mit mir«, schlug der kleine Prinz vor. »Ich bin so traurig …«
– »Ich kann nicht mit dir spielen«, sagte der Fuchs. »Ich bin nicht gezähmt.«
– »Ah! Verzeihung«, sagte der kleine Prinz.

Nachdem er kurz überlegt hatte, fügte er hinzu:

– »Was bedeutet ›zähmen‹?«
– »Du bist nicht von hier«, sagte der Fuchs, »was führt dich her?«
– »Ich suche die Menschen«, sagte der kleine Prinz. «Was bedeutet ›zähmen‹?«
– »Die Menschen«, sagte der Fuchs, »sie haben Waffen und sie jagen. Das ist ärgerlich! Sie halten sich auch Hühner. Das ist ihr einziges Interesse. Suchst du Hühner?«
– »Nein«, sagte der kleine Prinz. »Ich suche Freunde. Was bedeutet ›zähmen‹?«
– »Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.«
– »Vertraut machen?«
– »Natürlich«, sagte der Fuchs. »Du bist für mich nur ein kleiner Junge, ein kleiner Junge wie hunderttausend andere auch. Ich brauche dich nicht. Und du brauchst mich auch nicht. Ich bin für dich ein Fuchs unter Hundertausenden von Füchsen. Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt …«
– »Ich verstehe allmählich«, sagte der kleine Prinz. »Da gibt es eine Blume … ich glaube, sie hat mich gezähmt …«
– »Das ist gut möglich«, sagte der Fuchs. »Auf der Erde entdecken wir alle möglichen Dinge …«
– »Oh! Das ist nicht auf der Erde«, sagte der kleine Prinz.

Der Fuchs schien fasziniert davon:

– »Auf einem anderen Planeten?«
– »Ja, genau.«
– »Gibt es Jäger auf diesem Planeten?«
– »Nein.«
– »Das ist interessant! Und Hühner?«
– »Nein.«
– »Nichts ist perfekt«, seufzte der Fuchs.

Aber er kam auf seine vorherige Idee zurück:

– »Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander und alle Menschen sind gleich. Das langweilt mich ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben heiter wie die Sonne sein. Ich werde den Klang deiner Schritte von den anderen unterscheiden lernen. Alle anderen Schritte jagen mich in meinen Bau. Deine Schritte werden mich wie Musik aus meinem Bau herauslocken. Und dann schau! Siehst du dort die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Weizen ist für mich ohne Nutzen. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig! Aber du hast goldene Haare. Wie wunderbar es sein wird, wenn du mich gezähmt hast! Der goldene Weizen wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Brausen des Windes durch den Weizen lieben …«

Da verstummte der Fuchs und schaute den kleinen Prinzen lange an:

– »Bitte … zähme mich!«, sage er.
– »Das würde ich gern tun«, antwortete der kleine Prinz, »aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge lernen.«
– »Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs. »Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Da es aber keine Läden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, dann zähme mich!«
– »Was muss ich machen?«, sagte der kleine Prinz.
– »Du musst sehr geduldig sein«, antwortete der Fuchs. »Du wirst dich zunächst mit einem kleinen Abstand zu mir in das Gras setzen. Ich werde dich aus den Augenwinkeln aus anschauen und du wirst schweigen. Sprache ist eine große Quelle für Missverständnisse. Aber jeden Tag setzt du dich ein wenig näher …«

 

© Auszug aus „Der kleine Pinz“ von Antoine de Saint-Exupéry
Foto: Thomas Wilken – Pixabay

 


 

 

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